Leute in Lu: Seit 50 Jahren macht Kurt Henn Kindern in der Turngemeinde Oggersheim Lust auf Bewegung. Für diesen Marathon ist der 76-Jährige beim Neujahrsempfang von Ortsvorsteherin Sylvia Weiler gebührend gewürdigt worden. Auch der dritten Generation macht der Sportlehrer immer noch manches vor.
Von Andreas Lang
„Ich mache mir noch keine Gedanken übers Aufhören, dafür bin ich innerlich noch zu sehr engagiert und fühle mich mit den mir anvertrauten Kindern zu sehr verbunden.“ Schreibt ein Mann in seinem Jahresbericht für die Turngemeinde Oggersheim (TGO), der jedes Recht hätte, einen Gang zurückzuschalten. Seit 50 Jahren ist Kurt Henn Übungs- und Abteilungsleiter für das Kinderturnen in dem Traditionsverein. In Dekaden – so wie er es beim 40. Jubiläum nicht getan hatte – denkt der drahtige 76-Jährige nicht mehr, aber in Jahren schon noch.
Henn als Idealisten zu bezeichnen, wäre untertrieben. Er ist verwachsen mit dem Kinderturnen bei der TGO, die auch mit ihren Handballern und Leichtathleten reüssiert. Als ein Leiter der Kinder- und Jugendabteilung gesucht wurde, sah der gebürtige Oggersheimer und zu diesem Zeitpunkt frisch examinierte Lehrer diese Vakanz als Chance, den Einstieg ins Berufsleben mit praktischer Erfahrung in einem Verein zu anzureichern. Sechs Übungsleiter trainierten seinerzeit neun Gruppen.
Auf gepackter SporttascheEin halbes Jahrhundert später bildet Henn immer noch die Klammer zwischen der bis zu 40 Aktive zählenden Eltern-Kind-Gruppe und dem gleitenden Übergang zum Kinderturnen, zu dem sich regelmäßig 15 bis 20 Jungsportler einfinden. Die ehrenamtliche Unterstützung im Betreuerstab wechselt kontinuierlich, „aber es findet sich immer wieder jemand“, bleibt der Chefcoach bei allem Kommen und Gehen zweckoptimistisch. Jürgen Gräf assistiert ihm schon seit Jahren. Und mit Marion Vogel hat sich eine Mutter gefunden, die nicht nur mit zwei gebrochenen Rippen auf der Matte steht. Vor 20 Jahren hat sie ihre eigenen Kinder bei ihren ersten Turnversuchen begleitet, jetzt ist sie für andere da.
Die Kinder lieben jedenfalls das lockere Training bei Frau Vogel und Herrn Henn. „Meine beiden stellen ihre gepackten Sporttaschen freiwillig in den Flur“, berichtet eine Mutter. „Es ist das Gegenstück zum Druck, den meine Tochter beim Leistungsturnen empfunden hat und dem ich sie nicht weiter aussetzen wollte.“ Wenige Meter weiter hat sich der großväterliche Trainer am Ende einer blauen Matte platziert und animiert dazu, möglichst weit von der Reckstange abzuspringen. In der Oggersheimer Igslo-Turnhalle unterm Hallenbad werden die „großen“ Turner ab sieben Jahren schon zu etwas mehr animiert als eineinhalb Stunden zuvor die Youngsters in der Turnhalle der Langgewannschule.
Inspirieren und stimulierenDurch die aufgebaute Gerätelandschaft sollen sich die Drei- bis Sechsjährigen mit ihren Eltern oder Großeltern nach Herzenslust bewegen können. „Turnerische Grundformen wie Rollen, Schwingen, Springen, Klettern oder Balancieren sollen spielerisch-leicht entdeckt werden“, erläutert Henn, der das quirlige Treiben überwiegend vom Hallenrand aus beobachtet, das pädagogische Prinzip von Animation, Inspiration und Stimulation. Von dem er Ahnung hat, schließlich war er Sport- und Englischlehrer, zunächst in Neustadt und dann bis 2007 fast 30 Jahre lang im Geschwister-Scholl-Gymnasium.
Mit Mitte 70 bleibt Henn weiterhin in Bewegung, führt seinen kleinen Schützlingen die eine oder andere Übung auch mal vor. „Ich kann doch nichts abverlangen, was ich selbst nicht beherrsche.“ In der älteren Gruppe sind das immerhin Übungen wie Handstand, Felgaufschwung oder Sprünge über den Kasten. Hauptsächlich kümmert er sich aber um den Zusammenhalt und das Gemeinschaftsgefühl in der Gruppe. Bevor es an die Sprossenwand, auf den Barren oder ans Reck geht, werden im Sitzkreis auf dem Hallenboden die internationalen Namen durchgegangen und auf deren korrekte Aussprache geachtet. Und dann beginnt die Akrobatik an den Geräten, die sich die Kids frei aussuchen können. „Wir müssen ja nicht noch einmal durchexerzieren, was der Lehrplan für den Sportunterricht vorgibt“, meint Henn.
Das Turner-Gen hat er auch in der eigenen Familie weitergeben können. Eine der beiden Enkel hat gerade an Meisterschaftswettkämpfen im Geräteturnen in Frankfurt-Griesheim teilgenommen. Wie viele aus dem von ihm betreuten Turnernachwuchs in der TGO bei der Stange geblieben und in die Kunstturnabteilung gewechselt sind, hat Henn nicht gezählt.
Sehr wohl registriert hat ihr bislang einziger Kinder- und Jugendabteilungsleiter aber, dass mittlerweile nicht nur Mütter und Großmütter , sondern auch Väter den Nachwuchs in die Halle begleiten. Die eine oder andere Oma kommt Henn sogar bekannt vor: Mittlerweile trainiert er bereits die dritte Generation.
Quelle
Ausgabe Die Rheinpfalz Ludwigshafener Rundschau - Nr. 52